Bundestag verkauft Bürgerrechte in nur 57 Sekunden
Ein Video entlarvt die Heuchelei der Politik:
Die Abstimmung darüber, dass Meldeämter alle Bürgerdaten an Adresshändler und Werbetreibende weitergeben dürfen, ist ein Tiefpunkt des Parlamentarismus.
Von Günther Lachmann
Dieses Video ist eine Groteske und eines der wertvollsten Dokumente unserer Demokratie zugleich. Es zeigt, wie der Bundestag eines der folgenschwersten und umstrittensten Gesetze der letzten Jahre beschließt, nämlich das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens.
Dieses Gesetz erlaubt es den Einwohnermeldeämtern, sämtliche Bürgerdaten an Adresshändler und Werbetreibende herauszugeben. Dieses Gesetz betrifft jeden Bürger, es nimmt ihm das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es ist, wie viele Politiker heute zu Recht feststellen, ein Skandal.
Zwei Beratungen inklusive Abstimmung
Wie es zu diesem Skandal kam, veranschaulicht das Video des Deutschen Bundestags. Als das Gesetz in der zweiten und dritten Lesung beraten werden und abgestimmt werden soll, sind von den über 600 gewählten Parlamentariern gerade mal einige Dutzend anwesend.
Und die beraten gar nichts. Ohne auch nur ein Wort über das Gesetzesvorhaben zu verlieren, nehmen sie die Beschlussempfehlung des Innenausschusses
an.
Ganze 57 Sekunden (!) dauert das Prozedere. Zwei Beratungen inklusive Abstimmung in noch nicht einmal einer Minute!
Ausverkauf des Datenschutzes
Wer es nicht gesehen hat, glaubt kaum, dass so etwas überhaupt möglich ist. So gehen die Abgeordneten des Bundestages mit einem Gesetz um, das die Rechte der Bürger
massiv beschneidet.
Jetzt, da Medien darüber berichten, ist die Aufregung auf einmal groß. SPD-Chef Sigmar Gabriel empört sich, die Datenschützer sowieso. Und auch der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger zieht dagegen zu Felde, dass die Einwohnermeldeämter künftig sämtliche Daten der Bürger an Adresshändler und Werbetreibende herausgeben. Vom "Ausverkauf des Datenschutzes", ja sogar von "gesetzlichem Wahnsinn".
Und wer hat diesen "Wahnsinn" produziert? Der Bundestag war’s. Wie das Gesetz zustande kam, darüber verlieren die Politiker freilich kein Wort. Zum Glück gibt es dieses Video.
Übrigens: Als das Parlament abstimmte, übertrug das Fernsehen live das Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen Italien. Gut möglich also, dass der Fußball die Parlamentarier an diesem Abend einfach mehr interessierte.
Quelle: Welt-Online - 08.07.2012
siehe auch:
Drucksache: 17/7746 - Gesetzentwurf vom 16.11.2011
Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG)
Drucksache 17/10158 - Beschlussempfehlung und Bericht ...
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Verwirrung über Gesetzesvorschlag:
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verhängt.
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